Kernsanierung? Um Gottes Willen – nein: Machen Sie es wie die Schweizer!

Lieber Bauherr!

Wie machen die Schweizer es denn?

Als deutscher Bau-Projektleiter in der Deutschschweiz bin ich den Baukränen hinterhergereist und habe einige Jahre in der Schweizer Bauindustrie gearbeitet.

Also die Schweizer schauen sich ein zu sanierendes und in die Jahre gekommenes Objekt genau an:

Alles muss sich einfach realisieren lassen und kostengünstig wie möglich sein, damit am Ende die Rendite stimmt! Sie bewerten ein Objekt kaufmännisch. Meistens soll sich das Haus auch nach Jahren gewinnbringend verkauft lassen und somit achtet man aus Qualität. So wägen die Schweizer ihre Investitionen genau ab und achten auf ihr Budget. Es könnte sich ja auch in den nächsten Jahren etwas ändern. Zum Beispiel die Familie wird größer oder kleiner, weil die Kinder nach Schule und Ausbildung ausgezogen sind. Die Arbeitsstelle fällt weg … Oder Sie bekommen eine neue Stelle in einer teuren Stadt, z. B. Hamburg, Düsseldorf oder München– oder sogar vielleicht im Ausland? Können Sie sich dann auch noch den Kredit leisten, oder Kostendeckend vermieten?

In der Schweiz machen die deshalb keine teure Kernsanierung, sondern eine Pinsel-Renovation. Also was ist damit gemeint? Zuerst wird sich die Bausubstanz angeschaut. Dann die Haustechnik. Über alles wird eine Studie angefertigt. Das ist so etwas wie ein Ist-Soll Vergleich mit Kostenschätzung, anhand der Bauherr eine Entscheidung treffen kann. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich dadurch von der in Deutschland üblichen Kernsanierung – bei uns von neu bis Totalschaden keine zwei Jahre – weil bei den Schweizern nicht entkernt wird um alles nachher wieder neu aufzubauen. Alles was an Substanz noch gut ist wird bei den Schweizern in die Renovation mit einbezogen wird.

So macht es keinen Sinn, mit fragwürdigen und teuren energetischen Maßnahmen – die oft nur der Finanz- und Bauindustrie nützen – z. B. Intakte dichte Fenster gegen noch dichtere Fenster zu ersetzen. Des Weiteren funktionierende 2-schalige-Außenwände mit ausblasen der Luftschicht bauphysikalisch zu verschlimmbessern … Oder bei einem nicht ausgebauten Dachgeschoss das einen be- und entlüfteten Kaltdachraum hat mit einer Zwischensparrendämmung zu ertüchtigen …

Also was ist hier jetzt bei einer Pinsel-Renovation nach Schweizer Art zu tun: Erst einmal sind die Mindestanforderung an die Energieeinsparverordnung zu erfüllen. D.h. das die letzte Decke über beheizten Räumen zu dämmen ist. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Kellerdecke die unterseitig mit Wärmedämmung nachgerüsteten ist (sofern überhaupt möglich) – oder der Keller wird temperiert. Nach Möglichkeit sind auch vorhandene Wärme-und Kältebrücken (also Bausünden aus der Vergangenheit) zu überarbeiten.

Bei der Haustechnik sollten nach Schweizer Art  zuerst Dichtigkeitsprüfungen bei allen Wasser führende Leitungen gemacht werden. Anhand dieser Prüfungen und Recherchen – auch Sondierungen an der Baukonstruktion – können dann zielgerichtet weitere Planungen gemacht werden. Z. B. ob an die vorhandenen Schmutzwasser-Fallstränge noch angeschlossen werden darf, oder ob diese weil schon mehrjährig ausgewechselt werden müssen. Es macht erfahrungsgemäß überhaupt keinen Sinn an Entwässerungsleitungen anzuschließen die verrottet sind. Weil dann nämlich folgendes passieren könnte, dass das neue Bad dann wieder aufgeschlagen werden muss – weil es zu einer Havarie auch wie die Schweizer sagen – gekommen ist und man dann mit hohen Kostenaufwand die Fallstränge erneuern muss: also damit viel Geld zum Fenster rausgeworfen wurde. 

Des Weiteren macht es nach Schweizer Art auch überhaupt keinen Sinn eine funktionierende Heizzentrale auszuwechseln gegen eine modernere, um damit ein bisschen Energie zu sparen … Vielmehr bringt es in eine nutzerbedingte Haus-Regelung zu investieren.

Abschließend ist bei bei energetischen Ertüchtigung nach Schweizer Art immer darauf zu schauen das keine halbherzigen Maßnahmen durchgeführt werden, weil dadurch das Feuchte- und Schimmelpilzrisiko steigt. Deshalb wird das Objekt immer in seiner Gesamtheit betrachtet. Kein Fall ist wieder andere – sodass eine sinnvolle Lösung gefunden werden sollte – die dem Nutzerverhalten entspricht.

Machen Sie es deshalb wie die Schweizer!

Dipl.-Ing. Patrick H. König